Donnerstag, 25. September 2014

Molly




Vorgestern mussten wir unseren Hund einschläfern lassen.  Wir trauern, und wir bewohnen plötzlich eine seltsam leere, verlassene Wohnung. 

Molly hat 10 wunderbare Jahre lang eng an unserer Seite gelebt. Sie war ein Bordercollie-Mischling. Ich möchte euch hier, in diesem Nachruf, gern Mollys Geschichte erählen:

Mollys Hundeeltern "arbeiteten"  in derselben Schafsherde eines entfernteren Nachbardorfes.
Eigentlich wollte ich damals keinen neuen Hund mehr haben. Das Sterben unserer vierbeinigen Familienmitglieder belastete mich jedes mal sehr. Doch unser siebenjähriger Sohn, ein Einzelkind, quengelte ein Jahr nach dem Ableben unseres Cockerspanielmischlings wieder nach einem Hund. Und als unsere Nachbarin mit einem zuckersüßen Welpen auf dem Arm am Zaun stand, und nicht ohne Hintergedanken und Blick auf unseren Sohn erzählte, dass noch acht Hundebabys dieses Wurfes zu vergeben seien, saßen wir eine Minute später mit Wolldecke bewaffnet im Auto.
Kurze Zeit später fanden wir uns auf einem vermüllten, schmutzigen Hof wieder. Eine ungepflegte, stinkende Hündin lag vor einem Schuppen in der Sonne und acht Welpen wuselten, balgten und sprangen umher.
Die Besitzerin wirkte ebenso heruntergekommen wie der Hof, doch ich ermahnte mich innerlich, keine Vorurteile zuzulassen. Das war leicht, denn ein stinkendes Hündchen war drolliger als das nächste.
Mein Sohn stand verzückt inmitten der niedlichen Welpenmeute, als ich halb verzweifelt mit Blick auf die süßen Welpen fragte: „Welchen sollen wir denn nehmen? Die sind alle gleich hübsch!“
Da stand die Wahl meines Kindes bereits fest.
„Den hier!“, sagte der Siebenjährige mit leuchtenden Augen.

Sie waren doch nicht alle gleich süß, wie ich jetzt bemerkte:
neben ihm saß ruhig, mit festem Blick auf das Kind, ein dürres, strubbeliges, schwarz-weißes Etwas. Ogott, dachte ich, der ist ja total verwurmt, wenn er nicht noch was Schlimmeres hat …
Mit „aber dieser hier ist auch knuffelig“ machte ich einen Versuch, das Schicksal abzuwenden und deutete auf ein braun-weißes, kugelrundes, springendes Wuschelchen.
Mein Sohn stand wie ein Fels und schaute auf den Boden. „Nö. Den hier!“, sagte er entschieden. Ebenso entschieden saß neben ihm der Welpe und schaute zu dem Jungen hoch. Auch das Hundekind hatte seine Wahl getroffen und das Geschehen auf dem Hof, das lustige Balgen mit den Geschwistern, interessierte ihn ab sofort nicht mehr im Geringsten.  Von dem Moment an wich der Hund nämlich nicht mehr von der Seite des Kindes. Eine lebenslange Liebe war besiegelt.
Die beiden gingen zum Auto, ich bezahlte 50 Euro, und schaffte es grade noch, dem Schmuddelchen die Decke auf dem Rücksitz unterzuschieben.

Molly hatte den besonderen Hütetrieb ihres
Border-Collie-Vaters geerbt und auch das schwarze Fell mit der weißen Halskrause, den weißen Socken und der weißen Schwanzspitze, die sich ununterbrochen bewegte. Leider hatten es nicht beide Ohren geschafft, sich aufzurichten, sodass das linke im Takt wippte, wenn sie lief. Ihr strubbeliges, etwas stumpfes Fell stammte eindeutig von der Mutter, einem schwarzbraunen Hütehund irgendeines Rassemixs.
Ungewöhnlich an Molly war, dass sie von Anfang an keine Erziehung benötigte und somit auch nie Halsband und Leine brauchte. Stets hielt Molly Augenkontakt zu uns und lernte,
menschenähnlich zu empfinden und zu handeln. Sie verstand mit der Zeit beachtlich viele Wörter und Sätze. Sogar unser Lachen ahmte sie auf lustige und unbeschreibliche Weise nach!

Als die drei Hühner angeschafft wurden, erweiterte die Hündin ihre Hütetätigkeit auf das Federvieh, wenn unser Sohn in der Schule war. Diensteifrig umkreiste sie dann die drei Hennen auf der Wiese, überglücklich, ihre ureigenste Bestimmung ausleben zu können. Die Hühner nahmen es meistens mit Gelassenheit hin.

Ich könnte ein dickes Buch füllen mit witzigen, spannenden und nachdenklichen Erzählungen über diesen besonderen Hund, und wir sitzen jetzt mit schwerem Herzen zusammen und erinnern uns an die unwiederbringliche Zeit mit unserem strubbeligen, geliebten Hundemensch.
Nichts bleibt wie es ist ...










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