Samstag, 5. Mai 2012

Meine Morgenlandreise nach Nepal - Teil 5

Pashupatinath - Unter Affen und Asketen

Affen am Tempel Pashupatinath
Wir näherten uns der Tempelanlage über eine Abkürzung, die uns ein Einheimischer gewiesen hatte, durch ein lichtes Wäldchen. Der Weg war gesäumt von Steinquardern und Schreinen und bevölkert von relativ kleinen Affen. Mit KLEIN meine ich: nicht so groß wie Gorillas oder Orangutans.
Sie trugen hellbraunes Fell und lange Schwänze, die sie beim Klettern als fünften Arm benutzten. 

Ausgesprochen süß waren die Babys, die sich herzergreifend an die Mutterbrüste klammerten und mit sehr zufriedenem Blick in die Welt schauten.
Da musste ich einfach die Tüte mit dem Frühstückstoast... Es gab noch nicht einmal Zeit, sich zu erschrecken, so schnell war die Tüte schon fort. Eigentlich wollte ich für ein hübsches Bild so ein Äffchen anlocken, aber daraus wurde nichts. Der Toast rannte, verfolgt von einer Affenbande durch den Wald...
Von da ab machten wir respektvolle Bögen um die Affenansammlungen, bemüht, kein Geräusch zu verursachen, das irgendwie nach Tütenrascheln klang.

Shiva Altar Schrein
Den Schreinen, viele mit Darstellungen Shivas, folgten überdachte, aber offene Behausungen für die Pilger, in denen sie schliefen oder sich über offenem Feuer eine karge Mahlzeit zubereiteten.
An einem anderen Platz der Tempelanlage saßen  fast nackte Sadhus in Meditation versunken oder in teilweise bizarre Yogaübungen vertieft.
Über allem lag aromatischer Haschisch- und Räucherstäbchenduft. Es ist traditionell üblich, dass zu Ehren Shivas und zur Vertiefung der Meditation Ganja geraucht wird. Indischer Hanf ist hier eine heilige Pflanze und ist übrigens so verbreitet, wie bei uns Brennnesseln. Und Sadhus sind hier so zahlreich, wie im Vatikan Nonnen und Mönche.
Sadhus sind fast alle außergewöhnliche Gestalten, die mit harter Askese und schmerzhaften Praktiken versuchen, alles Weltliche zu überwinden und ihr Leben Shiva oder Vishnu weihen. Sie leben ausschließlich von Spenden.

Wir erreichten den kleinen Bagmati-Fluss, der mitten durch die Tempelanlage fließt. An einer Seite führen Treppen, die Ghats, hinab zum Wasser, unterbrochen von Steinblöcken, auf denen die Toten verbrannt werden. Die zurückbleibende Asche wird dem Fluss übergeben.

Leichenverbrennung am Surya Ghat Bagmati
Überwältigt von der Ungewöhnlichkeit dieses Ortes ließen wir das Geschehen gegenüber  von einem Aussichtspunkt auf uns wirken. Die Ansicht des Surya-Ghats, wo gerade zwei Leichen zur Einäscherung vorbereitet wurden, war für uns eine Lektion in Offenheit und Einbeziehung des Todes in das Leben. Ein krasser Gegensatz zu unserer Kultur.
Zu dieser Jahreszeit führte der kleine Bagmati-River nur wenig Wasser und entsprechend unverdünnt sind die Abwässer, Totenasche und auf natürliche Weise Verendetes.
Grauschwarzes Wasser.
In der Mitte des Flussbettes angeschwemmte Scheiterhaufenkohle, Knochen und Unrat jedweder Art.
Mittendrauf ein meditierendes, wiederkäuendes Kalb...
Kalb im Bagmati River am Pashupatinath
Und auf den Stufen steigen die Pilger zum rituellen Bad in die sähmige Brühe. Grusel.
Aber wir haben ja schon gelernt: das ist hier so, und warum sollte es anders sein?

In unserer Nähe sitzen zwei Sadhus, nicht die typischen aschegefärbten, rastalockenumwölkten  Asketen, sondern eher zwei obdachlose, zufriedene Ganjaraucher.
Es stellte sich heraus, dass einer von ihnen fließend deutsch sprach, da er mit einer deutschen Frau verheiratet war und zwei Töchter hat. Er arbeitete lange im Frankfurter Flughafen beim Gepäck, doch nachdem die Beziehung scheiterte, zog es ihn nach Hause. Sein Ziel ist, als Eremit in die Wälder zu gehen, doch sein Meister hält ihn noch nicht für reif.
Durch ihn erfuhren wir viele interessante Dinge über das Heiligtum.
Pashupatinath ist das größte Heiligtum der Hindus. Hier nach den alten Riten eingeäschert zu werden ist das höchste Ziel der Gläubigen, denn wenn dann ihre Asche dem heiligen Bagmati-River  übergeben wird, endet für sie endlich der Kreislauf der Wiedergeburten.

Ein Schluck des trüben Wassers würde uns umbringen, sagte er, während er selbst aus dem Fluss trinken könne... (Ersteres war mir völlig klar, letzteres zweifelte ich insgeheim allerdings an!)

Sadhu am Pashupathinath, der fließend deutsch sprach

In den kleinen Kabinen hinter den Verbrennungsplattformen halten sich Sterbende auf, die extra zu diesem Zweck hergekommen sind. Viele haben Verwandte dabei, die im Falle des Todes den Ritus durchführen. Es gibt aber auch noch die Möglichkeit der Wunderheilung an diesem Heiligen Ort.
Und noch etwas sehr Interessantes hat er uns erzählt: der Song "Sailing" von Rod Steward wurde hier, an dieser Stelle, von Gavin Sutherland komponiert, durch eine Inspiration des Gesanges von Saddhus die den Titel "Hare Krishna" sangen. Heinrich klärte mich dann darüber auf, dass der melodisch-rythmische Duktus von Sailing diesem jahrtausende alten Mantra entspricht.

Pashupatinath ist morbide, kein Ort zum Picknick machen, das wird einem schnell klar.
Spätestens wenn die Füße der hergerichteten Leiche noch einmal im heiligen Fluss gebadet werden, ein ölgetränktes Strohbüschel in den Mund des Toten gesteckt und angezündet wird. Geruch nach verbranntem Haar und Fleisch über dem Fluss liegt und Trauernde laut klagen.
Der Tod ist hier kein verdrängtes Thema, es scharen sich zu Beginn einer Verbrennung stets Schaulustige auf dem gegenüber liegenden Ufer.
Für den Besucher kann es ein Ort innerer Einkehr und Kontemplation sein, denn hier kommt jeder an seine ganz persönliche Grenze, wenn er sich die Zeit nimmt und dieses zulässt.





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